Was macht mich aus?

Das liebe Leserinnen und Leser fragte ich mich bis zum Alter von 32 Jahren auch, dann erhielt ich die „Diagnose“ Hochsensibilität. Auch wenn Hochsensibilität im ICD 11 nicht als Krankheit anerkannt ist, möchte ich hier der Einfachheit halber von einer Diagnose sprechen. In der Folgezeit beschäftigte ich mich sowohl mit der Diagnose, und während ich wissenschaftliche und sonstige einschlägige Fachliteratur las (welche ich bei Bedarf gerne näher benenne), verstand ich nicht nur mich und meine Probleme besser, sondern bekam auch eine andere Sicht auf die Umstände meines bisherigen Lebens.

Zu aller erst einmal möchte ich versuchen zu erklären was Hochsensibilität eigentlich ist:
Hochsensibiltät ist eine Erkrankung, auch wenn ich und viele Betroffene lieber von einer Wesensart sprechen, die oft unbemerkt bleibt. Und genau dies habe ich vor hier zu ändern. Seit Jahrzenten „streiten“ sich Betroffene und Wissenschaft ob Hochsensibilität eine behandlungsbedürftige Krankheit ist. Ich sehe es tatsächlich als ein Spektrum auf dem wir alle uns bewegen. Es ist ein Charaktermerkmal, dass weder positiv noch negativ sein muss. Bei mir ist es so, dass ich schon immer zu innerer Unruhe neigte, in Kombination mit meiner hohen Emotionalität habe ich die sprichwörtlichen „Hummeln im Hintern“ wobei ich sie eher als Killerhummeln bezeichnen würde.

Von meinem Leben als hochsensible Persönlichkeit

Zunächst einmal kämpft sich jeder Mensch durch den Alltag. Hochsensibel zu sein bedeutet, dass vieles im Leben sehr anstrengend ist, vor allem deswegen weil man selbst sehr anstrengend ist. Von Kolleginnen und Bekannten wurde mir dabei schon unterstellt ich sei neurotisch, hysterisch und auf eine seltsame Art egozentrisch, oft hörte ich in diesem Zusammenhang Aussagen wie „Stell dich doch nicht so an“ oder „Nimm dir das alles nicht so zu Herzen“, dies kratzt teilweise sehr am eigenen Selbstwertgefühl.
Menschen wie ich reagieren sehr empfindlich auf ihr Umfeld und den eigenen Körper. Jeden Tag findet bei mir eine sogenannte Reizüberflutung statt. Ich bin zum Beispiel sehr geräusch- und lichtempfindlich, auch nehme ich Dinge bis ins kleinste Detail war. Weswegen ich versuche so viel wie möglich auszublenden, da in meinem Kopf bei zu vielen Reizen ein lautes Klirren erklingt. Als meine größte Errungenschaft sehe ich tatsächlich an, mein sensibles Wesen zu kontrollieren.

Ich mag sowohl die Sonne wie auch den Sommer, allerdings sind mir die frühlingshaften Temperaturen so um die 20 Grad bedeutend lieber, da alles darüber eine enorme Belastung für mein Hautempfinden ist. Auch bin ich die Person die auf einer Party bittet die Musik etwas leiser zu drehen, oder Gespräche mit 2-3 Personen einer Gruppendiskussion bevorzugt.
Auch würde ich mich nicht als Small-Talk unfähig bezeichnen, im Gegensatz bin ich die Königing aller Small-Talk-Dynastien, auch wenn sich mein ganzes Gedanken- und Gefühlsverhalten auf mein Inneres bezieht. Wenn es im Freundeskreis, oder auch nur bei Bekannten, zu Streit kommt nagt das oft tagelang an mir. Ich lese dann den Chatverlauf mindestens viermal durch, versuche in meinem Kopf alle Dinge zu analysieren um herauszufinden wo das eigentliche Problem liegt. Kommt hingegen ein Streit in die „heiße“ Phase eskaliert alles in mir und es setzt entweder ein Fluchtreflex ein oder ich verfalle in eine Phase von Mutismus. Viele verstehen dies falsch, dabei ist dies nur die Reaktion darauf, dass ich gerade mit meinen Emotionen und denen von meinem Gegenüber nicht umgehen kann.


Man könnte auch sagen, meine größte Stressquelle bin ich selbst.


Mein Kopf befasst sich den ganzen Tag mit Gedankenfetzen, -spielen und Ideen und wird mit allermöglichen Eindrücken bombardiert. Hier entsteht mein täglicher Kampf zwischen Fokus und Klarheit.
Viele in meinem Umfeld beschreiben mich als „Duracell-Häschen“, als Person die ständig herumrennt, macht und tut, und über endlose Energie verfügt. Tief in mir sieht es aber anders aus, mir selber geht es nicht gut dabei, ich würde eher sagen mein innerer Motor erleidet einen Energieverlust ohne Ende.
Manchmal bin ich schon nach 2 Stunden Arbeit so gestresst, dass ich mich eigentlich kurz hinlegen müsste. Und das liegt nicht an meiner Arbeit, der Grund liegt in mir selber oder besser gesagt in meinem Kopf, der alles ungefiltert reinlässt, alle Eindrücke, Reize, Gefühle und Bilder.

Die ganze Betriebsamkeit die man von Außen wahrnimmt ist quasi meine innere Unruhe, die von zu viel Stimulation durch äußere Reize hervorgerufen wird. Mein Umfeld sieht eine kommunikative und kreative Person, und nach einigen Stunden liege ich lethargisch und mit leeren Batterien im Bett. Zumindest wenn ich es nicht schaffe, diese Energien zu kontrollieren und in eine einheitliche Bahn zu lenken.
Was hier hilft ist die Führung eines strukturierten Tagesablaufs, eine Reizarme Umgebung beim Arbeiten und viel Bewegung, welche mir hilft den Stress abzubauen. Ich arbeite erfolgreich gegen an, aber es ist auch ein täglicher Kampf um meine Strategien, meine gute Organisation und die wertvollen Alltagsroutinen sind ständig im clinch um Fokus. Das Mittel die Unruhe und das Klirren in meinem Kopf auszubalancieren. Es ist wie eine Schleife von Reiz und Reaktion, alles schwappt herein und will verarbeitet werden. Manchmal ist auch von außen betrachtet alles bestens und irgendwas stimmte schon beim aufstehen nicht, hin und wieder selbst für mich ein Rätsel.
Wenn es mir dann nicht gelingt meinen Fokus zu finden, komme ich in einen überdrehten, fahrigen Zustand. Ich bleibe öfter irgendwo hängen und hole mir blaue Flecken oder stolpere, alles in meinem Kopf dreht sich und ich bekomme Kopfweh und manchmal sitze ich auch einfach nur nervös in einer Ecke, das wäre dann die extreme Form von Überreizung.